Neue Serie: Liebe, Lust und Intimität
Konsumer-LeserInnen fragen nach

Die Körper- und Sexualtherapeutin, Buchautorin und Beraterin Marlise Santiago beantwortet Ihre Fragen rund um Liebe, Beziehung und Sexualität. Dabei wählt sie nicht so sehr den wissenschaftlichen Weg, sondern möchte Sie als Leserin, als Leser darin unterstützen Ihren eigenen sexuellen Weg zu finden und zu gehen.
«Es gibt weiss Gott noch anderes auf der Welt als Sex. Es ist, als ob heutzutage das Leben allein daraus bestehen würde», schreib mir eine Leserin, als ich fürs Tagblatt der Stadt Zürich die Kolumne «Lust statt Frust» schrieb. Ja, das Leben besteht tatsächlich nicht nur aus Sex, aber andererseits: Alles Leben entsteht aus Sexualität! Und sie ist ein Motor – ob nun bewusst oder unbewusst – für allerlei Verhaltensformen im sexuellen oder auch nicht direkt sexuellen Kontext.
Heute wissen bereits Kinder was Sex ist und wie «Sex machen» geht. Sie haben von Ihren Eltern etwas darüber gehört und nehmen wahr, wie diese mit dem Thema umgehen. Sie lesen die «Bravo», sehen Bilder in Werbung und TV, oder sie mussten sexuelle Missbrauchs-Erfahrungen machen usw. Solcherart sind bereits Kinder von verschiedener Seite sexuell geprägt. In der Pubertät und im Erwachsenenalter vertiefen sich diese Prägungen dann aufgrund von Erfahrungen, weiteren Bildern, Vorstellungen, Erwartungen usw., so entsteht sexuelles Verhalten und Erleben. Und genauso wie wir alle uns dieses sexuelle Verhalten angelernt haben, können wir es auch wieder umlernen – falls es uns nicht befriedigen, erfüllen und nähren sollte.
Es gibt nicht «Die Sexualität»
Als langjährige Therapeutin verstehe ich meine Rolle nicht als die einer «Tipp-Geberin» im Sinne von «man nehme und tue» – denn Sex wird längerfristig kaum besser wenn nur Äusseres wie Dessous, Praktiken, Toys und Trends berücksichtigt werden – sondern als Einladende, sich dem Thema Sexualität mit dem Herzen, mit sehenden Augen und mit dem eigenen Körperempfinden anzunähern. So steht bei meiner Arbeit auch nicht das Gespräch im Zentrum, sondern das somatische Lernen, das Lernen und Umlernen über den Körper. Ich plädiere dafür, sich keinesfalls davon einschüchtern zu lassen, wenn sich Ihr persönliches Erleben, Ihre persönlichen Erkenntnisse weder mit wissenschaftlichen Ergebnissen noch Statistiken, noch mit Vergleichen im Bekanntenkreis, noch mit Darstellungen in den Medien decken und gehe so weit zu sagen, dass es «Sexuelle Probleme» gar nicht gibt, sondern dass es auf den Blickwinkel ankommt, von dem aus Sie Ihre Sexualität betrachten, oder dass Sie lernen den Kontext mit zu berücksichtigen in dem dieses vermeintliche Problem steht. Oder anders gesagt: Es gibt nicht «Die Sexualität», sondern massgeblich ist Ihre ganz persönliche Sexualität und dass Sie Sexualität so leben, wie es Ihren Lebensrealitäten entspricht. Lernen Sie sich zu freuen an dem was ist und lernen Sie um, wenn das was ist, nicht befriedigend, nährend, erfreulich sein sollte.
Ich bin eine gestandene 58-jährige Frau, Mutter und Grossmutter, lebe in einer langjährigen Partnerschaft und habe ein vielfältiges Berufsleben hinter und hoffentlich auch noch vor mir. Die erste Ausbildung war die zur diplomierten Hauspflegerin, dann folgte eine Schauspielschule, eine kurze Zeit als Mutter und Hausfrau. Nach der Scheidung und Arbeit in der Spitex und diversen kleineren Jobs als Schauspielerin stieg ich in den Journalismus ein, wo ich während rund 10 Jahren im Print-, Radio- sowie im TV-Bereich tätig war. In dieser Zeit absolvierte ich erste Ausbildungen für meine heutige Tätigkeit. Unter anderem die zur Sexualpädagogin, gefolgt von Weiterbildungen in Sexualtherapie und –beratung, diversen Formen der Körpertherapie unter anderem klassische Massage, einem mehrjährigen Weiterbildungszyklus in Traumatherapeutischer Prozessbegleitung etc.
Mit meiner Arbeit als Körper- und Sexualtherapeutin, oder als Beraterin in verschiedenen Medien oder auch mit der Publikation meines Buches «Schluss mit Secondhand Sex» möchte ich Verständnis dafür wecken, was Sexualität auch noch sein könnte. Nämlich: Etwas ganzheitlich Nährendes und Berührendes, weit weg vom rein Funktionalen, von Performance-Druck, von Trends und weit weg auch von all den Bildern und aufgewärmten Fantasien, die uns tagtäglich serviert werden.
Dabei möchte ich Sie gerne unterstützen und ich freue mich auf Ihre Fragen rund um Liebe, Beziehung und Sexualität hier beim Konsumer.
Herzlich und bis bald Marlise Santiago