Die Firma Euroweb trifft erneut Referenzkunden vor dem BGH
Prolog:
Fast genau ein Jahr ist es her, dass die Firma Euroweb als selbsternannter Marktführer im Bereich der Internet-Dienstleistungen den Bundesgerichtshof anrief, um den Vertragstypus ihrer Internet-System-Verträge höchstrichterlich bestimmen zu lassen.
Entgegen der Argumentation der Rechtsanwaltskanzlei Berger, welche als “Haus- und Hofkanzlei” der Euroweb-Group fungiert, wurden die Euroweb-Verträge vom Senat nicht als typengemischte Dienst- und Mietverträge, sondern als Werkverträge eingeordnet und lediglich die Vorleistungspflicht wurde in gewissen Grenzen zugelassen. Eben dieser Umstand veranlasste die Kanzlei Berger dazu sich eines vermeintlichen Sieges zu rühmen, der jedoch geradewegs zur erneuten Anrufung des BGH führen musste, da das Werkvertragsrecht nach § 649 BGB eine jederzeitige Kündigung durch den Besteller vorsieht.
Die Verhandlung:
Am vergangenen Donnerstag, dem 27.01.2011, fand die mündliche Verhandlung vor dem VII Zivilsenat des BGH unter reger Beteiligung von Referenzkunden der Euroweb-Group und deren Anwälten, sowie dem Fernsehen statt. Auch einige wenige Mitarbeiter der Kanzlei Berger wollten der Wahrheitsfindung beiwohnen, während Herr Berger selbst ebenso wie die Herren Preuss und Fratzscher ihr Desinteresse durch Fernbleiben kundtaten.
Der Vorsitzende des Senats eröffnete die Verhandlung und erläuterte kurz den vorliegenden Fall, bevor er auf die zu klärenden Fragen näher einging. Ein Internet-System-Vertrag mit einer Laufzeit von 3 Jahren war geschlossen, eine Homepage von Euroweb erstellt und etwa ein halbes Jahr im www bereitgestellt worden. Der Besteller kündigte den Vertrag gemäß § 649 BGB und das LG Düsseldorf, als Berufungsgericht, bestätigte diese Kündigung, wogegen sich die Revision der Firma Euroweb richtet.
Der Vorsitzende führte weiter aus; zu klären sei die Wirksamkeit der Kündigung, bzw. ob das Kündigungsrecht nach § 649 BGB wirksam ausgeschlossen werden könne, auch über die Abrechnung nach § 649 BGB Satz 2 sei zu sprechen und hier v.a. über die Heranziehung von erbrachten oder ersparten Leistungen als Berechnungsgrundlage.
Der Vorsitzende stellte ausdrücklich fest, dass nach Meinung des Senats ein Werkvertrag vorliege und § 649 BGB grundsätzlich anwendbar sei.
Herr Rechtsanwalt am BGH Dr. Nasall trug für die Firma Euroweb vor und bezog sich in seinen Ausführungen auf die besondere Ausgestaltung des Internet-System-Vertrages, welche diesen als Dauerschuldverhältnis mit festgelegter Laufzeit und eben nicht als klassischen Werkvertrag erscheinen lässt. Es handele sich um ein ordentliches Kündigungsrecht, welches durch § 2 der AGB (Kündigung aus wichtigem Grund) wirksam abbedungen sei.
Eine Benachteiligung des Bestellers sei nicht gegeben, da Euroweb den Großteil der Leistungen am Beginn des Vertrages erbrächte und die Investitionskosten dann auf mehrere Jahre verteilt in Rechnung stelle. Insgesamt konnte ich keinerlei neue Ansätze in der Argumentation hören, die uns nicht hinlänglich aus den Textbausteinen der Rechtsanwaltskanzlei Berger bekannt wären.
Auf die direkte Frage des Senatsvorsitzenden nach überzeugenden Gründen, warum von der gesetzlichen Regelung des § 649 BGB im Rahmen der Internet-System-Verträge abgewichen werden solle, konnte auch Herr Dr. N***l keinen substantiierten Vortrag beibringen.
Interessanter Weise führte Herr Dr. N***l, entgegen der vorliegenden Aktenlage, aus ; “Die Kunden wurden als Referenzkunden geworben, das ist unstreitig.” Der Vorsitzende rügte mit den Worten ” Sie sollten unsere Aktenkenntnis nicht unterschätzen” und zitierte aus den vorinstanzlichen Unterlagen (sinngemäß wiedergegeben) “Es wird bestritten, dass unsere Mandantin Kunden als Referenzkunden geworben hat”.
Auf der “Referenzkundenseite” erwiderte Herr Rechtsanwalt am BGH Dr. Kummer kurz und prägnant. Er führt aus es handele sich um eine Kündigung für einen Werkvertrag, die ohne Begründung und ohne Frist ausgesprochen werden könne und auf den uralten rechtlichen Vorstellungen beruhe, die zur Grundlage des BGH wurden.
Der Besteller habe ein Interesse am Werk und eben nicht der Unternehmer, dessen Interessen durch § 649 Satz 2 BGB hinreichend geschützt seien. Das freie Kündigungsrecht sei somit nicht auszuschließen und sollte sich ein Ausschluss ergeben, sei dieser unwirksam, da es der grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde.
Herr Dr. Kummer führt weiter aus ; der III. Senat habe seinerzeit zur freien Kündigung nichts gesagt, wie die Klägerseite ausführe.
Zur Frage der Berechnung nach § 649 Satz 2 BGB verweist Herr Dr. Kummer auf die durch die Firma Euroweb vorgenommene Unterscheidung von Kauf- und Systemkunden. Da die Leistungen unterschiedlicher Art seien, dürfe hier keine Schätzung auf Grundlage der Kalkulation für Kaufkunden erfolgen und Rückschlüsse für Systemkunden gezogen werden.
Herr Dr. Kummer betont, dass die wesentliche Leistung, die am Anfang erbracht werde gerade die kostenlose Homepage sei. Zu den ersparten Aufwendungen sei nicht ausreichend vorgetragen worden.
Herr Dr. Kummer beantragt die Revision zurückzuweisen.
Fazit:
Die mündliche Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof war eine sehr lehrreiche Erfahrung in Sachen Rechtsfindung, die dank des Senats auch für Nichtjuristen verständlich wurde.
“Wer, bitte folgt der rechtlichen Interpretation eines Tierarztes: Etwa der BGH?” […] lupus est homo homini, sagte schon der Komödiendichter Titus Maccius Plautus zur römischen Kaiserzeit und in der Tat, die Versuche Thorsten Romaker, den BGH vorauszusagen, haben schon etwas Komödiantisches: Thorsten Romaker ist Tierarzt ….”
Die Komödianten sind wohl eher in Düsseldorf und Köln zu finden, nach meinem Gefühl gehäuft in der Kanzlei Berger, denn für mich ist diese Angelegenheit viel zu ernst, um einen Schabernack damit zu treiben.
Nach der Zurückweisung an das Berufungsgericht bleibt nur ein Schluss übrig ; § 649 BGB findet Anwendung und ist nicht abdingbar zu der Berechnung nach Satz 2 muß erneut vorgetragen werden. Damit dürfte der Euroweb-Group die Möglichkeit der Klage im Urkundenprozess genommen und die Lizenz zum Gelddrucken entzogen sein.
Ein schöner Tag für alle “Referenzkunden”
Vielen Dank an Thorsten Romaker für den erfrischenden Bericht
Quelle Thorsten Romaker