Innovationsreport 2014: AMNOG noch nicht in der Arztpraxis angekommen
Mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) hat der Gesetzgeber die Hersteller von Arzneimitteln verpflichtet, aufzuzeigen, ob ihre neuen Präparate im Vergleich zu bestehenden Alternativen einen Zusatznutzen besitzen.
Allerdings liegen zum Zeitpunkt der Bewertung bzw. der Markteinführung oftmals noch keine ausreichenden Erkenntnisse darüber vor, welchen therapeutischen Fortschritt die Medikamente im realen Versorgungsalltag darstellen. Hier gibt der Innovationsreport 2014 Orientierung.
Bereits zum zweiten Mal haben Wissenschaftler der Universität Bremen ausgewählte Arzneimittel bewertet, um echte von falschen Innovationen zu trennen.
Von den 20 Wirkstoffen, die im Report untersucht wurden, haben Hersteller im Nachhinein für acht Wirkstoffe Warnhinweisschreiben verschickt – unter anderem sogenannte Rote-Hand-Briefe. Dr. Jens Baas, Vorsitzender des TK-Vorstands, erklärt dazu:
“Eine einmalige Bewertung neuer Arzneimittel reicht im Grunde nicht aus. Was wir brauchen, sind weitere Spätbewertungen mit Erfahrungen aus dem Versorgungsalltag – in der Medizin würde man sagen: Nachuntersuchungen -, um den tatsächlichen Nutzen neuer Medikamente besser einschätzen zu können.”
Auswertungen der TK zeigen zudem, dass die Ergebnisse der AMNOG-Bewertungen heute nicht eins zu eins in der Versorgung ankommen. So wird beispielsweise der erste bewertete AMNOG-Wirkstoff Ticagrelor noch immer bei jedem dritten Patienten falsch eingesetzt. Dies bedeutet: Das Medikament wird verordnet, obwohl für die zu behandelnde Krankheit kein Zusatznutzen nachgewiesen werden konnte.
Dr. Jens Baas erklärt weiter:
“Das haben schon die Auswertungen für das Jahr 2011 gezeigt, und auch im Folgejahr hat sich an der Verordnungspraxis nichts geändert”
Betrachtet wurden dabei drei Dimensionen: Erstens, ob es bereits verfügbare Therapien zur Behandlung der jeweiligen Krankheit gibt. Zweitens, ob der Wirkstoff tatsächlich einen relevanten Zusatznutzen vorweisen kann. Und drittens, ob die Kosten höher oder niedriger im Vergleich zu vorhandenen Therapien ausfallen.
Professor Dr. Gerd Glaeske:
“Die Ergebnisse zu den Auswertungen für das Jahr 2011 fallen insgesamt betrachtet eher bescheiden aus. Da tröstet es kaum, dass der Jahrgang 2010 noch schlechter abgeschnitten hat.”
Er weist auch auf die Konzentration der Indikationsgebiete für die neuen Arzneimittel hin.
“Auffällig ist, dass ein Drittel der neuen Arzneimittel auf die Onkologie und Multiple Sklerose entfallen, auf Krankheiten also, bei denen wegen der Behandlungsnotwendigkeit auch besonders hohe Kosten akzeptiert werden.”
Neben der Bewertung neuer Wirkstoffe befasst sich der diesjährige Innovationsreport in einem Sonderkapitel mit dem Thema “Stratifizierende Medizin”. Denn es werden vermehrt Arzneimittel zugelassen, die erst nach Prüfung auf einen Biomarker eingesetzt werden dürfen.
Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorstandsvorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft:
“Das Thema weckt bei vielen Menschen große Hoffnungen – natürlich insbesondere bei Schwerkranken. Wichtig ist aber, dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Biomarkertestgestützter Patientenselektion und dem Behandlungserfolg der neuen Arzneimitteltherapie immer durch ein geeignetes Studiendesign nachgewiesen wird. Nur so kann gezeigt werden, dass eine Selektion anhand eines Tests für Patienten von Vorteil ist.”
Vor allem in der Krebsmedizin kommen vermehrt Arzneimittel auf den Markt, deren Einsatz mit einem spezifischen Biomarkertest verknüpft ist.
Auf Wunsch erhalten niedergelassene Ärzte für jedes Quartal einen individuellen Verordnungsreport. Dieser zeigt den Ärzten unter anderem an, ob sie neue Arzneimittel tatsächlich bei solchen Erkrankungen verordnet haben, bei denen das Präparat einen echten Zusatznutzen aufweist. Zudem erhalten die Abonnenten des Arzneimittelreports praxisrelevante Zusammenfassungen der Ergebnisse zur frühen Nutzenbewertung – die sogenannten AMNOG-News.