Massenbetrug durch das EuMedien Callcenter?
Gegen die Gründer und Betreiber des angeblichen Markenprodukte-Testers EuMedien aus Lüneburg in Niedersachsen, das Ehepaar Claudia und Jörg Rohde, sowie gegen deren Oranienburger Callcenter-Chefin Ilona Stühler hat die Staatsanwaltschaft Lüneburg jetzt “Anklage wegen Massenbetruges” beim Landgericht Lüneburg erhoben.
Statt vorgegaukelter hochwertiger Nähmaschinen und Laptops habe es für die Callcenter-Kunden der EuMedien GmbH nur Sekundenkleber und Waschmitteldosierhilfen zum Testen gegeben. 35.000 Kunden der EuMedien GmbH sollen laut Ermittlungsakten allein in den Jahren 2006 und 2007 rund 3 Millionen Euro an die EuMedien überwiesen haben und hätten für ihr Jahresabo in Höhe von bis zu 90 Euro im Gegenzug nur Billigramsch geschickt bekommen.
Aufträge von Markenfirmen zum Testen habe es gar nicht gegeben, und auch Bewertungsbögen seien nie ausgewertet worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Einziges Ziel des am 1. März 2005 gegründeten Callcenters der EuMedien GmbH in Oranienburg sei es gewesen, “auf betrügerische Weise Einnahmen” zu erhalten. Die Staatsanwaltschaft konnte auch nicht feststellen, dass die EuMedien GmbH eventuelle Test-Produkte von namhaften Firmen eingekauft hätte.
Die Geprellten reagierten mit Betrugsanzeigen. Einige verteilten zur Warnung Handzettel und klebten diese an Türen und Bäume rund um das Oranienburger Bahnhofsviertel, wo sich das Callcenter befindet.
Das Callcenter selbst schaltet unverdrossen Anzeigen in der örtlichen Presse, in denen es neue Telefonisten/innen mit “Verkaufstalent und echter Begeisterungsfähigkeit” zu einem “attraktiven Grundgehalt mit erfolgsorientierten Provisionen sowie zusätzlichen Prämien!” sucht.
Staatsanwältin Angelika Klee führte aus:
Die Staatsanwaltschaft Lüneburg hat gegen Verantwortliche eines ortsansässigen Unternehmens Anklage wegen gemeinschaftlichen, gewerbs- und bandenmäßigen Betruges beim Landgericht Lüneburg erhoben.
Der Geschäftsführerin, ihrem Ehemann, der im Wesentlichen die Geschäfte der Firma geführt haben soll, und der Leiterin eines Callcenters in Oranienburg wird vorgeworfen, seit Juni 2005 mehrere tausend Kunden als Produkttester gewonnen zu haben, indem ihnen vorgespiegelt wurde, mindestens die Chance auf den Erhalt eines hochwertigen Produktes zu haben, das aufgrund seiner Aktualität auf dem Markt zur „Herstellung einer Markttransparenz“ eines Testes bedürfe.
Tatsächlich sei eine Vielzahl der in Aussicht gestellten höherwertigen Gegenstände (zum Beispiel Multimedia-Notebook oder Mobiltelefon) nicht an die Kunden geliefert oder von vornherein gar nicht eingekauft worden. Die Kunden hätten jeweils eine Jahresgebühr von bis zu zirka 90 Euro leisten müssen, aber zu vermeintlichen Testzwecken allenfalls nahezu wertlose Gegenstände (zum Beispiel Sekundenkleber – Einkaufsstückpreis: 19 Cent – oder Miniohrhörer – Einkaufsstückpreis: 75 Cent) erhalten.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es die Angeschuldigten nur auf das Geld der Kunden abgesehen hatten, um sich dadurch eine dauerhafte Einnahmequelle von erheblichem Umfang zu verschaffen. In Wahrheit habe es keinen einzigen Auftrag der Industrie zum Testen bestimmter Produkte gegeben, und auch eine Auswertung von Bewertungsbögen der Kunden sei nicht erfolgt.
Den Angeschuldigten wird vorgeworfen, allein im Zeitraum 01. Januar 2006 bis 31. Dezember 2007 durch etwa 35.000 Verträge, die über das Callcenter in Oranienburg abgeschlossen worden sein sollen, auf betrügerische Weise Einnahmen von zirka 3 Millionen Euro erzielt zu haben.
Jörg Rohde betreibt eigentlich in Lüneberg einen Laden für Tabakwaren, Zeitschriften und Lotto. Am alten Standort ist heute eine Rohde Immobilien GmbH verzeichnet. Die Landeszeitung Lüneburger Heide (LZ) berichtete im Jahre 2005, dass die Scheiben des Lottoladens seit Anfang 2005 mit Papier verklebt waren. LZ-Recherchen hätten ergeben, dass im Haus oberhalb von Tabak und Lotto auch Liebesdienste angeboten wurden und werden.
Claudia Rohde hatte größere Pläne. Sie gründete seit 2003 allein oder im Wechsel mit ihrem Mann ein Geflecht aus zehn Firmen: Erstens eine Ideen Limited in Birmingham (Großbritannien), zweitens eine Go Ahead Services Limited in Oranienburg mit drittens deren Tochter, einer Emigo.de in Lüneburg, und viertens wiederum davon einer Tochter, die Seite Geld-verdienen-mit-umfragen, fünftens eine Ideen AG, sechstens eine Seite Tabak4you.de, siebentens eine EuMedien GmbH mit deren Töchtern, achtens dem Warenprobenportal EuCeVa.de und neuntens der Seite Cronjobs.de, sowie zehntens eine Rohde Immobilien GmbH im einstigen Puff in Lüneburg.
Gleich zu Beginn von Claudia Rohdes Testproduktversprechen im Jahre 2003 hagelte es Beschwerden. Ein Kunde von Rohde bewarb sich beispielsweise bei EuMedien als Handytester. Ihm war ein hochwertiges Nokia angeboten worden, erhalten habe er aber nur ein Billig-Motorrola für 20 Euro. Andere Kunden schrieben, dass sie statt Küchenmaschinen nur Duftbäume und Parfumteststreifen bekommen hätten. Auf so etwas war auf der Homepage nicht hingewiesen worden. Anfragen nach anderen Waren blieben regelmäßig unbeantwortet.
Kündigungen seien ignoriert worden. Rohde-Kunden beschwerten sich, dass trotz Kündigungen weiter von ihren Konten abgebucht worden sei. Eine Rücklastbuchung kostete gleich mal 10 Euro Strafe. Die Rohdes hatten sich in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) gut abgesichert: Sie übernahmen ausdrücklich keine Haftung dafür, dass eine Firma überhaupt etwas schickt oder auch nicht dafür, dass die E-Mail-Adresse des Kunden einfach mit Werbung zugespamt wird.
Fernsehreporter jagten den Lottoladeninhaber Jörg Rohde im Jahre 2004, weil sie ihm den Preis “Fass ohne Boden” überreichen wollten. Der Preisträger konnte allerdings vor den Kameras flüchten.
Im Dezember 2009 bekamen die Rohdes dann den Negativpreis “Das Schwarze Schaf” für die dreisteste Rechtsverletzung im Internet. Der Internet-Markenschutzdetektiv OpSec Security aus München verlieh der EuMedien GmbH als Betreiberfirma des angeblichen Testgeräte-Portals Euceva.com (Jahresmitgliedschaft 93,60 Euro) den Negativpreis.
Angeblich dürfe man auch hier Küchenmaschinen, Telefone und Laptops testen und behalten. Dabei erfahre man nicht, dass man als Tester eine kostenpflichtige Mitgliedschaft abschließt. Lediglich in den FAQs werde darauf hingewiesen, das Kosten von 7,80 Euro im Monat beziehungsweise 93,60 Euro pro Jahr als Aufwandsentschädigung entstünden. Nach Überweisung der Rechnung gab es jedoch anstatt teurer Produkte nur Kleinigkeiten. Für wen oder wofür die Tests waren, erfuhr man auch nicht. “Eine bewusste Täuschung” meinte Geschäftsführer Unger Jeffrey von OpSec Security bei der Preisverleihung.
Mit freundlicher Genehmigung GoMoPa